23. Fortbildungstagung des BMU-Brandenburg (15. - 17. September 2021)
- ein Bericht von Christine Jacobi -


„Von analog zu digital? Musikunterricht – quo vadis?“
Die 23.Fortbildungstagung des BMU-Landesverbandes Brandenburg an der Bundes- und Landesakademie Rheinsberg vom 15. bis 17.September 2021 bewies einmal mehr:
Der Weg ist das Ziel.
Start:
Zur Eröffnung hätte es keinen tongewaltigeren Auftakt können – und das ganz analog, direkt vor Ort, im großen Theatersaal.
Unter der Leitung von Harald Bölk schaffte es die Big Band “Big Brass“ der Kreismusikschule Ostprignitz-Ruppin, uns hautnah spüren zu lassen, was für ein Geschenk das gemeinsame Musizieren ist. Wir freuten uns mit den Bandmitgliedern über das zwanzigjährige Bestehen des Ensembles, das in diesem Jahr gefeiert wird.
Mit dem am darauffolgenden Tag beginnenden Kursprogramm gab es sechs verschiedene Wege, um sich für die Beantwortung der Eingangsfrage der nötigen Inspiration und Information widmen zu können.
Weg 1:
Choreografische Werkzeugkiste
Da leider eine Berliner Referentin krankheitsbedingt kurzfristig absagen musste, erklärte sich spontan Son-Young Ramert bereit einzuspringen. Sie ist Mitglied der Berliner Tanzschule „Trainerhelden“ und kann auf eine reichhaltige Erfahrung in diesem Metier zurückgreifen.

In diesem Workshop wurde den Teilnehmer:innen ermöglicht, auch ohne tänzerische Vorkenntnisse in die Praxis der Choreografie und deren Anwendungsmöglichkeiten im Musikunterricht einzutauchen. Über spielerische Warm-ups zum Thema Bewegungs-improvisation, Bewegungsrepertoire und Bewegungsqualitäten führte Son-Young Ramert die Gruppe an eigene Choreografie-Ideen heran. Leidenschaftlich und kraftvoll lockte man sich gegenseitig aus der Bewegungsreserve und testete gefahrlos aus, was man sich sonst niemals allein getraut hätte. Besonders bemerkenswert war, dass Son-Young zu ihren Choreografie-Impulsen auch philosophische Aspekte zur Sprache brachte, die den Kurs zu einem sehr intensiven, nachhaltigen Erlebnis gemacht hat. Dem Tanzschul-Namen „Trainerhelden“ wurde Son-Young vollends gerecht.
Weg 2:
Body Grooves & Boomy Songs
Ulrich Moritz präsentierte in seinem Kurs eindrucksvoll, was bei der Bodypercussion Musik und vitalisierende Bewegung in Kombination bewirken können.
Mit einfachen Mitteln entstanden unter seiner Anleitung viele Rhythmus- und Klangvarianten mit erstaunlicher Dynamik.
Abwechslungsreiche kleine Stücke und Lieder benötigten Boomwhackers, Naturmaterialien, Bodypercussion und die Stimme in immer wieder anderem Zusammenspiel.
Scheinbar mühelos gelang es dem seit 40 Jahren kontinuierlich konzertierenden und unterrichtenden Referent aus Berlin, die Frauen und Männer aus verschiedensten Schulformen in kurzweiliger Art und Weise zusammenzuführen, was das mehrfach gehörte Resümee beweist: „Das werde ich am Montag gleich ausprobieren.“
Weg 3:
Aktives Musikhören in der Grundschule

Als Klassenlehrer und Musiklehrer an einer Neuruppiner Grundschule benötigte Holger Lehmann keine andere Expertise als die von ihm vorgestellten praktikablen Varianten des Musikhörens. Er aktivierte seine Teilnehmer:innen mit verschiedenen Beispielen und Vorgehensweisen, die flexibel auf unterschiedlichste Themenbereiche übertragen werden können.
Die Vermittlung von Wissen über spielerische Herangehensweisen probierte die Gruppe an unterschiedlichsten Themenfeldern mit Bewegung im Raum aus. Dabei begegnete man dem Ritter Dando oder lernte, wie man eine Blues-Uhr zu lesen hat.
Holger Lehmann kombinierte humorvoll und selbstverständlich das Hören zum Beispiel mit sprachbildnerischen Elementen oder dem Instrumentalspiel.
Weg 4:
Was kann schulischer Musikunterricht von Popularmusiker:innen lernen?
Der aus Potsdam stammende Professor für Musikpädagogik und Musikdidaktik, Marc Godau, schaffte es nach seinen überzeugenden Ausführungen, erste Berührungsängste mit digitaler Technik bei den Teilnehmer:innen seines Kurses abzubauen und für seine Ideen der Herangehensweise aufzuschließen.
Unter seiner Federführung versuchten die Teilnehmer:innen, drei Methoden des popularmusikalischen Lernens zum einem greifbaren, einem sicht- und hörbaren Erfolg zu führen.
Ein kleiner Nebenraum wurde so zum Band-Probenraum, das Gelände um die Akademie herum bildete das Set für einen Videoclip zum Song und der Seminarraum diente als Bühne für eine Rap-Darbietung. Damit wurde letztendlich der Beweis angetreten, das Musiklehrer:innen auch im fortgeschritteneren Alter durchaus noch lernfähig sind.
Weg 5:
Samba im Unterricht oder als schulische Arbeitsgemeinschaft
Ein weiterer Referent aus Berlin, Christoph Biemer, verwandelte mit seinem Kursangebot das brandenburgische Refugium in eine vor Energie sprühende Arena südamerikanischen Temperaments. Er gab eine wunderbare Vorstellung davon, wie die lateinamerikanische Musikkultur die abendländische beeinflusst hat. Über die prägnanten und einprägsamen Rhythmen sowie das polyphone Zusammenspiel merkten die Teilnehmer:innen, dass Samba direkt in den Körper geht und nicht auf dem Stuhl sitzend musiziert werden kann.
Da im Mittelpunkt des Kurses die praktische Erprobung der Instrumente stand, bot es sich an, ein komplettes Ensemble-Stück einzustudieren, das in einer erfolgreichen Aufführung mündete und die erlernten Rhythmen mit einem lateinamerikanischen Chorsatz kombiniert wurden.



Weg 6:
Das ursprünglichste Instrument – unsere eigene Stimme
Hannah Ginsburg bot mit ihrem Workshop die Plattform an, von der aus man sich auf eine Forschungsreise zur eigenen Stimme begeben konnte. Auch hier wurde Wert auf das bewusste Hören gelegt, dem Klang und dem Körpergefühl hinterher gespürt.
Die Kursinhalte basierten unter anderem auf der Lichtenberger® Methode für angewandte Stimmphysiologie. In der Lichtenberger Methode werden Körper-Sensorik und die eigene Wahrnehmung für Klang sensibilisiert und miteinander in Beziehung gesetzt.
Bezeichnend für die besondere Herangehensweise der Referentin war die wohltuende Gewissheit, dass die Arbeit an der Stimme nicht unter Zeitdruck erfolgen muss, sondern so lange dauern darf, wie es eben nötig ist, um alle Facetten ausloten zu können.
Ziel:
Unsere kurzen Feedbackrunde spiegelte das wider, was die Teilnehmer:innen vom Grundgefühl her von der Anreise bis zum Abschluss begleitete:
- ungebrochene Motivation trotz unfreiwilliger Singe-Abstinenz
- menschliche Nähe trotz vorschriftsmäßiger Distanz
- hohes Niveau trotz niedriger Teilnehmerzahl
- intensiver Austausch trotz extensiver Angebote
- kindliche Freude trotz erwachsener Alltagserfahrung
- wohltuende Zauberkraft von Rheinsberg, trotz des einschränkenden Corona-Banns.
Die erwartenden Risiken bei der Umsetzung unseres Fortbildungsvorhabens konnten offensichtlich den Glauben an die Machbarkeit nicht erschüttern. Somit haben die verantwortlichen Präsidiumsmitglieder Kerstin Becker und Frank Siegmeier mit ihrer Organisation trotz eines erhöhten Schwierigkeitsgrades Großartiges vollbracht. Dem gesamten Team, das ehrenamtliche agiert, danken wir sehr herzlich für diesen Kraftakt, der uns so erfüllte Tage bescherte!
Christine Jacobi